Redebeitrag zum Besuch des Bizim Kiezdrachen

Heute war es soweit. Der Bizim Kiezdrachen hat den Kinderladen "IrgendWieAnders" in der Oppelner Straße in Berlin Kreuzberg besucht. Wir danken allen Unterstützern, die heute so zahlreich zur Kundgebung gekommen sind. In den nächsten Tagen werden wir unsere Eindrücke hier veröffentlichen.

Bizim Kiezdrache beim Kila "IrgendWieAnders"

Redebeitrag

Täglich grüßt das Murmeltier: Mietenwahnsinn. Verdrängung. Weil „der Markt“ es erlaubt. Mal wieder. Schon wieder. Und wieder mal ein Kinderladen. Man kennt diese Geschichte. Schon viel zu oft gehört. Randnotizen eines brummenden Immobilienmarktes, der einige ziemlich reich und viele total hilflos macht. Der nur noch für ganz Wenige funktioniert. Leider.

Aber was bei diesen Randnotizen, in dieser lapidaren Beschreibung hinten runterfällt, ist was das eigentlich bedeutet: Für die Betroffenen. Für die Kinder, für die Erzieher*innen, für die Eltern, auch für die Nachbarn. Was das konkret bedeuten würde – für unsere Kinder, unserer Erzieher*innen, uns Eltern, unsere Nachbarn hier. Wenn noch "mehr Geld“ schon wieder wichtiger sein soll als ein sozialer Ort. Deswegen hier ein kurzer Versuch, deutlich zu machen, um was es geht:

Unser Kinderladen ist für unsere Kinder das Größte. Sie verbringen täglich bis zu acht Stunden hier, sie leben hier. Es ist eine eigene kleine Welt, die von Zirkusspielen, Feuerwehreinsätzen und Ritterkämpfen im Toberaum bis zum Drachenbauen in der Werkstatt reicht. Die sich vom Piratenspielplatz im Görli bis zum Waldausflug in den Plänterwald streckt. Und das mit ErzieherInnen, die sich wirklich immer wieder Neues einfallen lassen. Und die sich nicht zuletzt für eine Mischung von Kindern engagieren, die Inklusion und Integration praktisch lebt. Und das übrigens nicht nur in Bezug auf die Kinder, sondern auch in Bezug auf Eltern aus verschiedensten Teilen der Welt, von Afghanistan bis ins Schwabenland. Und als ein echter Faktor für das Miteinander hier im Kiez. Vor kurzem stand in der Zeitung, dass bis zu 40 Prozent der über Dreijährigen mit Migrationshintergrund in Berlin keine Kita besuchen - weil es zu wenig Kitaplätze gibt. Unseren Kinderladen zu verdrängen wäre vor diesem Hintergrund wirklich ein Angriff auf den sozialen Zusammenhalt.

Apropos: Sozialer Zusammenhalt – das fordern ja viele Politiker*innen gerne. Gerade in Corona-Krisenzeiten. Besonders in schwierigen Verhältnissen. Besonders gerne in sogenannten „Problembezirken“ wie hier rund um den Görli. Aber dieser „Zusammenhalt“ – der kommt doch von Zusammenhalten. Er fällt nicht vom Himmel. Eine Gesellschaft zusammen zu halten, das braucht Leute, die anpacken und selbermachen. Leute, die sich kümmern. Die auch die Schwächsten nicht alleine lassen. Die denen eine Chance geben, die anders scheinen. Und die die Kleinsten so an die Hand nehmen, dass sie immer wieder ganz große Augen kriegen.

Wenn man sich das klar macht, dann sieht man, dass unser kleiner Kinderladen viel mehr als „nur“ ein Kinderladen und ein schöner Ort für ein paar Kids ist. Er ist das soziale Zentrum einer kleinen Welt, hier im Wrangelkiez. In einem Kiez, der viel mehr von diesen Orten bräuchte. In einer Stadt, die viel mehr von diesen Kiezen bräuchte. Die oft nicht einfach und manchmal ziemlich anstrengend sind. Die aber einzig und allein deswegen überhaupt so interessant für Investoren sind, weil sie tatsächlich „irgendwie anders“ sind.

Dieses soziale Zentrum, diesen Teil von Kiezkultur, diese Welt für unsere Kleinen kaputt zu machen, das kann keine Mieterhöhung der Welt wert sein. Was sich Herr Hoffmann wohl dafür kaufen will? Noch mehr Häuser? Auf unser Angebot zur Einigung – mit einer noch bezahlbaren Miete und einer vernünftigen Laufzeit - haben wir bisher jedenfalls immer noch nichts gehört.

Es mag sein, dass 19 Euro netto kalt unter den Bedingungen des aktuellen Gewerbemietenrechts legal sind. Sicher ist: Richtig ist es nicht. Es wäre absurd wenn wir uns damit abfinden würden. Aber das werden wir nicht. Es wäre auch ein ganz schlechtes Beispiel für unsere Kleinen – und ein schlechtes Zeichen für alle Großen. Denn mit jedem Unrecht muss irgendwann mal Schluss sein. Und jedes Ende muss irgendwo anfangen. Warum nicht im Kleinen? Warum nicht hier? Warum soll die bekannte Geschichte vom großen Miethai und den kleinen Fischen nicht endlich mal anders weitergehen?

Deswegen wollen wir euch alle dazu einladen: Sorgen wir gemeinsam dafür, dass der Kinderladen bleibt und Schluss ist mit der Verdrängung von all dem, was den Kiez lebenswert macht. Ansatzpunkte dafür gibt es einige: Wer in dieser Stadt Geschäfte machen will, der ist auch auf sein Image in dieser Stadt angewiesen. Aber auch die Politik, der Bezirk, der Senat und die neue Bundesregierung sind gefragt: Es braucht endlich ein Gewerbemietrecht, das soziale Träger wie unseren Kinderladen und Kleingewerbe vor Miethaien schützt.

Sicher ist: Wir haben gerade erst angefangen. Sorgen wir zusammen dafür: Kreuzberg bleibt irgendwie anders!

Reaktionen aus dem Netz

https://taz.de/Mietenbewegung-ohne-Vorkaufsrecht/!5815123/

„Das wäre für uns zu teuer“, sagt Nina Hofeditz, Leiterin und Geschäftsführerin von „irgendwieanders“. Kinder, deren Eltern nicht beide voll arbeiten, bekämen zur Betreuung weniger Geld. „Wir wollen aber auch Kinder mit Fluchthintergrund, bei denen die Mutter vielleicht noch einen Deutschkurs macht. Oder Kinder, bei denen die Mutter einfach Hausfrau ist – ist ja auch völlig okay.“ Dafür müssten die Eltern dann im Kinderladen auch mal putzen oder sich anderweitig einbringen.

https://taz.de/Mietenproteste-in-Berlin/!5811124/

Denn Verdrängung bedroht Groß und Klein. Das wird an der Station vor der Oppelner Straße 20 deutlich. Hier ist der Kinderladen Irgendwie Anderszu Hause. Der Vermieter will die Gewerbemiete auf 19 Euro pro Quadratmeter erhöhen. Die Kita kann das nicht bezahlen. »Wenn der Kinderladen weg ist, bedeutet das auch einen Angriff auf den sozialen Zusammenhalt«, sagt Jan, Vater eines Kindes aus dem »Irgendwie anders«.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158597.mietenwahnsinn-kiezdrache-gegen-immobilienhaie.html

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